Die anderen Amerikaner

Präzise Abbilder banaler Suppendosen, eine hyperreale Lady-Skulptur mit Lockenwicklern: Es war unerhört, was Peter und Irene Ludwig in den 1960er Jahren aus New Yorker Ateliers mitbrachten. Bereits 1968, noch bevor die Documenta die Pop Art adelte, zeigte das Sammlerpaar in Aachen Werke von Andy Warhol, Duane Hanson oder Roy Lichtenstein. Arbeiten, die heute weltberühmt sind und zum Kanon der Kunstgeschichte gehören.

Jenseits der ganz großen Namen und weltberühmter Werke blieb aber immer auch Raum für Positionen, die sich gängigen Einordnungen entziehen – ganz im Sinne des visionären Anspruchs des Sammlerpaares, die Kunstlandschaft umfassend zu vermessen und die Kunst ihrer Zeit in aller Vielfalt abzubilden. Es sind solche, bislang kaum beachtete und doch hochinteressante Arbeiten der Sammlung, die in der Ausstellung „Die anderen Amerikaner“ in den Mittelpunkt gerückt werden: Positionen wenig bekannter US-Künstler, aber auch ungewöhnliche Werke namhafter Künstler. Mit seiner Präsentation begibt sich das Ludwig Forum Aachen auf Nebenwege der amerikanischen Kunstszene und entdeckt zugleich die Sammlung von Peter und Irene Ludwig neu. Ein Rückblick nach dreißig, vierzig Jahren – es ist an der Zeit, die Schätze unseres Depots zu heben und eingeschliffene Sehgewohnheiten aufzubrechen. Zeit für eine Neubewertung.

Die Anderen Amerikaner lenken den Blick auf die vielen, ganz unterschiedlichen Facetten der US-Kunst der 1970er und 80er Jahre, die sich gebräuchlichen Klassifizierungen oft genug widersetzt. Zwei Themen stehen dabei besonders im Fokus: Graffiti-Malerei und Werke der Pattern and Decoration-Bewegung.

Anfang der 1970er Jahre erobern junge Sprayer den New Yorker Untergrund. Viele stammen aus den Armenvierteln Harlem oder Bronx, nennen sich Crash, Ero oder Lady Pink, hören Hip Hop und sind oft nicht einmal volljährig, als sie die ersten Hauswände und U-Bahnen besprühen, ohne sich um Gesetze oder das elitäre Kunstverständnis des amerikanischen Mainstreams zu kümmern. Ihre Kürzel und Zeichen platzieren sie möglichst auffällig im öffentlichen Raum, kommentieren zugleich häufig die Situation der Underdogs, der ausgestoßenen und unterdrückten Minderheiten. Einige schaffen es ab den 1980er Jahren von der Straße in die Kunstgalerien, sprayen nun auch auf Leinwände. Das Sammlerpaar Ludwig holte auch solche Arbeiten nach Aachen, darunter Werke von Crash (bürgerlich John Matos). Er bringt – bis heute erfolgreich – Graffiti- und Pop-Art-Elemente zusammen. Die bunt schillernden Sprühbilder von Daze, mit dem er sich Anfang der 1980er Jahre das Atelier teilte, beschäftigen sich mit der unmittelbaren Alltagswelt, Werbung, Fernsehen und Comic-Heften.

Den zweiten Schwerpunkt bildet die Pattern and Decoration-Bewegung (1975-1985). Viele der lebensfrohen Arbeiten wirken auf den ersten Blick wie rein ornamentales Kunsthandwerk, sind gekennzeichnet durch tapetenhaft aufgesetzte Flächenmuster, dekorative Ornamentik oder offensiv bunte Kompositionen. Häufig zitieren die Künstlerinnen und Künstler Formen nicht-westlicher Kulturen und sind mit traditionell weiblichen Handwerkstechniken hergestellt. Miriam Schapiro, Robert Kushner und Kim MacConnel und Weitere reagieren mit ihrer Kunst auf die vorangegangene puristische Minimal Art und Konzeptkunst und der in vielerlei Hinsicht grenzüberschreitenden Hippiebewegung und feiern die Rückkehr der Phantasie, der Farbe, der Formenvielfalt und des Affektiven. Aber sie hinterfragen nicht nur tradierte ästhetische Vorstellungen von Kunst, sondern auch politisch-gesellschaftliche Zustände wie den Stellenwert von Frauen, der amerikanischen Ureinwohner oder von ethnischen Minderheiten. Bislang sind die Werke der „Pattern and Decoration“-Bewegung in Europa kaum rezipiert worden. Das Ludwig Forum macht jetzt einen Anfang.

Künstler der Ausstellung: Charlie Ahearn, John Ahearn, Laurie Anderson, A-One, Alan Cote, Crash, Donald Bacheler, Mel Bochner, Donna Dennis, Vincent Desiderio, Daze, Ero, Christopher Knowles, Joyce Kozloff, Robert Kushner, Thomas Lanigan-Schmidt, Kim MacConnel, Robert Morris, Lowell Nesbitt, Noc 167, Judy Pfaff, Lady Pink, Lee Quinones, Robert Rauschenberg, Dorothea Rockburne, David Salle, Miriam Schapiro, Kendall Shaw, Michael Snow, Don van Vliet, Robert S. Zakanitch.

Kuratorin: Esther Boehle

Die anderen Amerikaner, Ausstellungsansichten

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Fotos: Carl Brunn / Ludwig Forum
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