Die Erfindung der Neuen Wilden
Kein anderer kunsthistorischer Begriff hat die deutsche Kunstszene zu Beginn der 1980er-Jahre so sehr geprägt wie die Neuen Wilden. Ende der 1970er-Jahre stürmten junge Künstler die Ausstellungshäuser mit großformatigen Leinwand-arbeiten, die durch ihren ungestümen Farbgestus und ihre figurativen Darstellungen auffielen. Die üppige Motivwelt, changierend zwischen unmittelbarem Witz und lustvoller Provokation, stand im scharfen Kontrast zur Semantik der Konzept- und Minimal Art, die in den vorangegangenen Jahren als dominierend wahrgenommen wurde.
Die bis heute gebräuchliche Bezeichnung Neue Wilde wurde in Aachen im Zuge einer Ausstellung geboren, die 1980 in der Neuen Galerie – Sammlung Ludwig, dem späteren Ludwig Forum, stattfand. In der Schau Les Nouveaux Fauves – Die Neuen Wilden fasste der damalige Gründungsdirektor Dr. Wolfgang Becker verschiedene Künstler*innengruppen zusammen, die auf unterschiedliche Weise Bezüge zu den historischen Fauves der französischen Kunst des beginnenden 20. Jahrhunderts aufwiesen. Die Schau beinhaltete US-amerikanische Künstler*innen des damals neuen Pattern & Decoration genauso wie die französische Künstler*innengruppe support – surface, die bereits seit Mitte der 1960er-Jahre aktiv war. Als deutscher Beitrag wurden Künstler wie Georg Baselitz, Jörg Immendorf, Markus Lüpertz und A.R. Penck gezeigt. Keiner der letztgenannten Künstler ist im engeren Sinne Teil der Bewegung, die später als Neue Wilde bezeichnet wird. Der Titel der Ausstellung zielte offenbar auf etwas anderes ab.
Trotzdem verfing der griffige Terminus sofort und wurde in der Zeit ab 1980 in Deutschland als feststehender Begriff gebräuchlich. Das Forschungsprojekt Die Erfindung der Neuen Wilden untersucht erstmals Aachen und die Sammlung Ludwig als Ursprung des Begriffs Neue Wilde und verortet so eines der bedeutsamsten Kapitel der internationalen Nachkriegskunst im äußersten Westen Nordrhein-Westfalens neu.
Das Projekt baute auf den Vorarbeiten auf, die das Forschungsprojekt Plattform Aachen – Archiv zeitgenössischer Kunst seit 2013 am Ludwig Forum geleistet hat.
Das Forschungsprojekt präsentierte seine Arbeitsergebnisse in einer großen Ausstellung im Ludwig Forum. Begleitend erschien eine Publikation.
Projektleitung
Benjamin Dodenhoff
Projektvolontärin
Ramona Heinlein