Erstmals zeigt das Ludwig Forum für Internationale Kunst die großformatige Arbeit Ölbild (1994) von Michel Majerus im Dialog mit künstlerischen Positionen aus der Sammlung Peter und Irene Ludwig. Im Gegenüber mit ausgewählten Arbeiten von unter anderen Georg Baselitz, Jean-Michel Basquiat, Jasper Johns, Martin Kippenberger, Roy Lichtenstein, Kenneth Noland, James Rosenquist und Andy Warhol, bietet sich ein tiefer Einblick in die formalästhetischen Auseinandersetzungen, die Majerus in seiner künstlerischen Entwicklung führte. Sie finden sich sowohl in seinen Arbeiten wie auch in seinen Notizheften wieder, die eine Grundlage der Werkauswahl waren. Die Künstlerliste zeigt, wie groß die Spannbreite der auf den ersten Blick widersprüchlichen Einflüsse auf Majerus war. Sie spiegelt aber auch die traurige Wahrheit wider, dass die Kunstwelt in den 1990er Jahren eine noch absolut männlich dominierte war.
Majerus geschicktes Sampling von Zitaten aus Popkultur, Comics, Werbung und Motiven anderer Künstler*innen und die im Vergleich zu den 1980er Jahren neue Leichtigkeit in seiner Malerei machten ihn international bekannt. Er geht mit der populären Ikonografie der 1990er Jahre ebenso frei um wie mit den künstlerischen Stilmitteln, wobei er seine Fundstücke derart zurechtschneidet, dass sie einen Wandel von einem abbildenden zu einem ornamentalen oder abstrakt wirkenden Bildelement durchlaufen. Hierbei ist das stilsichere Komponieren mit Ausschnitten nicht sein alleiniges Interesse, da die verwendeten Vorlagen ein eigenes Referenzsystem bilden. Für Ölbild sind unter anderem Jean-Michel Basquiat und Rolf Kauka, der Zeichner hinter den Comic-Heften Fix & Foxi, zu nennen. Die Motive sind hierbei – wie immer in der Pop Art – Sensationen des Neuen und damit von kurzer Halbwertszeit. Die malerischen Gesten, in denen Majerus selbst zum Ausdruck kommen könnte, sind – wie der ebenfalls in der Sammlung Ludwig befindliche Entwurf zu Ölbild verdeutlicht – kein unmittelbarer Impuls, sondern wohldurchdacht. Sie dienen der kompositorischen Ausgewogenheit, die die Qualität seiner Arbeiten ausmacht.
Michel Majerus (1967–2002) studierte von 1986 bis 1992 Malerei an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart, unter anderem bei K.R.H. Sonderborg und Joseph Kosuth. Bereits die Wahl seiner Professoren – ein Maler, der expressiv und gestisch arbeitet und ein international renommierter Konzeptkünstler – zeigt die Freiheit, in der Majerus seine künstlerische Arbeitsweise entwickelt. Nach dem Studium zog er nach Berlin, wo er, bis auf einen einjährigen Aufenthalt in Los Angeles im Jahr 2001, lebte und arbeitete.
Der internationale Durchbruch gelang Majerus 1998 mit seinen Beiträgen zur Manifesta 2 in Luxemburg. 1999 lud ihn Harald Szeemann im Rahmen der Venedig-Biennale ein, die Außenfassade des italienischen Pavillons zu gestalten. Unter dem Titel Sun in 10 different directions schuf er eine Text-Bild-Collage. Mit der Arbeit if we are dead, so it is, einer 455 m² großen Halfpipe, die er im Jahr 2000 für eine Ausstellung im Kölnischen Kunstverein bemalte, gelang Majerus der Schritt in die Dreidimensionalität. Am 6. November 2002 starb Michel Majerus bei einem Flugzeugabsturz. Er wurde 35 Jahre alt.
Mit der Ausstellungsreihe Michel Majerus 2022 widmen sich, zwanzig Jahre nach seinem Tod, zahlreiche Institutionen, darunter Kunstwerke (KW) Berlin, Kunstverein in Hamburg, Sprengel Museum Hannover, Kunstmuseum Wolfsburg, Ludwig Forum Aachen, Museum Folkwang Essen, Museum Ludwig Köln, Mudam Luxemburg, Kunsthalle Mannheim, Staatsgalerie Stuttgart und das Lenbachhaus in München, den verschiedenen Werkphasen und Aspekten seines außergewöhnlichen Schaffens (www.michelmajerus2022.com).
Kuratiert von Holger Otten
Im Rahmen von
In Kooperation mit
Michel Majerus Estate, Berlin