Die Restaurierung der Figurengruppe Hutständer, Tisch und Stuhl von Allen Jones

Als Peter Ludwig Allen Jones’ Figurengruppe Hutständer, Tisch und Stuhl im Jahr 1970 in der Kölner Galerie Zwirner entdeckte, kaufte er sie vom Fleck weg. Von da an war das Ensemble, das erst ein Jahr zuvor entstanden war, in der Neuen Galerie in Aachen ausgestellt.

Die Gruppe besteht aus drei lebensgroßen Frauenfiguren, die als Möbelstücke dienen – als Hutständer, Stuhl und Tisch. Und tatsächlich waren sie, bis sie in die Neue Galerie einzogen, als Möbelstücke benutzt worden, wie man an den Gebrauchsspuren erkennen konnte. Da das Ensemble im Laufe der Jahre häufig an andere Häuser ausgeliehen wurde, kamen weitere Schäden hinzu. Eine zu starke Lichtbelastung und gelegentlicher Vandalismus taten ein Übriges. Die Restauratorinnen des Ludwig Forum, Julia Rief und Christina Sodermanns, machten sich 2006/2007 daran, die Schäden auszubessern. Die Arbeiten dauerten ca. drei Monate. Tatkräftige Unterstützung erhielt das Team durch einen Aachener Friseurmeister und eine Textilrestauratorin. Finanzielle Unterstützung kam von der Ludwig Stiftung – und von Irene Ludwig. Dabei war sie über den Kauf ihres Mannes seinerzeit gar nicht glücklich gewesen. Sie fand Jones’ Werk „unanständig“.

Restaurierungsprotokoll

Das Kunstwerk
Jones’ Figuren Hutständer, Tisch und Stuhl sind aus naturalistisch bemaltem, glasfaserverstärktem Polyesterharz hergestellt. Sie tragen echte Kleidung und Perücken. Das Ensemble ist auf Fellen angeordnet. Eine stehende Frau mit seitlich abgewinkelten Armen, deren Handflächen nach oben geöffnet sind, stellt den Hutständer dar. Ein Paar Stiefel, ein Tanga und ein Halsband aus violettem Leder sowie ein transparenter Seidenbolero bilden ihre spärliche Bekleidung. Die auf den Leib geschneiderten Highheels sind oberschenkellang und mit passend eingefärbten Schnürsenkeln bis zur oberen Kante geschnürt. In die Oberschenkel ist ein Absatz eingearbeitet, so dass der Stiefel förmlich in das Bein eingelassen ist. Die Bluse aus durchsichtigem Seidenbatist steht vorne und hinten offen. Unter der Brust und an den Manschetten dienen durch Hohlsäume geführte dünne helle Kordeln dazu, die Bluse zu raffen.

Eine auf dem Rücken liegende Frau ist als Stuhl konzipiert. Die Beine des Stuhls, die gleichzeitig die Beine der Frau sind, sind so stark angezogen, dass die Rückseiten der Oberschenkel die Grundlage für einen Ledersitz bilden können. Dieser ist auf eine quadratische Acrylglasplatte montiert und mit einem Ledergurt befestigt. Die Arme sind neben dem Körper ausgestreckt, und der Kopf ist angehoben. Die Puppe trägt schwarzes Leder: ein knappes Höschen, lange schwarze Handschuhe und Stiefel.

Auf dem Rücken einer knienden Frau im Vierfüßlerstand liegt eine große Glasscheibe als Tischplatte, die mit vier verchromten Schrauben in Schulterblättern und Gesäßbacken befestigt ist. Das Gesicht der Figur wird in einem Spiegel reflektiert, der vor ihr auf dem Boden liegt. Sie ist mit einer schwarzen Lederkorsage, die nur die Taille umschließt, und Hotpants aus gelbgolden glitzerndem Lurex bekleidet sowie langen, schwarzen Lederhandschuhen und rückseitig geschnürten Stiefeln.

Alle drei Figuren tragen Perücken. Malerisch gestaltetes Make-up – Lidschatten, Rouge und Lippenstift – ist durch falsche Wimpern ergänzt.

Material
Allen Jones hat für das Figurenensemble Vorzeichnungen angefertigt und „Regieanweisungen“ für die Umsetzung gegeben. Die aus glasfaserverstärktem Polyesterharz gefertigten Figuren wurden mehrfach mit einem Nitrolack grundiert und geschliffen, um eine glatte Unterlage für die Malschicht zu erzielen. Die farbige Gestaltung hat Lucina della Rocca mit breiten Pinselstrichen in Acrylfarben (Rowney Cryla Colour) übernommen. Dabei hat sie das „Make-up“ individuell leicht abgewandelt. Die Materialien Polyesterharz, Nitrolack und Acrylfarben wurden durch Analysen bestätigt (ICN). Die Handschuhe wurden bei „Weis“ erworben, einem Geschäft, das früher in der Londoner Shaftesbury Avenue ansässig war. Die Stiefel sind maßgefertigt und wurden in der Londoner Schuhmacherwerkstatt „Annello & Davide“ hergestellt. Die restliche Lederkleidung hat der britische Fetischmode-Designer John Sutcliffe entworfen. Für die Bluse aus Seidenbatist und die Hotpants aus Lurex war die Fashion-Designerin Zandra Rhodes zuständig.

Schadensbericht
Die Figuren waren weitestgehend in gutem Zustand. Die Schäden, deren Ursache vornehmlich Abnutzung, zu hohe Lichtbelastung und gelegentlicher Vandalismus sind, konzentrierten sich auf die Bekleidung und die Accessoires. Dem Hutständer wurde das Verbindungsstück zwischen Halsband und Tanga 1989 oder 1990 gestohlen. Ein Aachener Lederwarenhändler fertigte einen Ersatzgurt an, der jedoch eine Spur dunkler als das Original wurde. Eine erste Restaurierung der Bluse fand 1991 statt, da das dünne Gewebe an stärker beanspruchten Stellen bereits brüchig geworden war. Bei der Weltausstellung in Lissabon 1998 haben Besucher*innen zwei größere Stücke Stoff an den Schultern herausgeschnitten. Der Rand war dort ausgefranst und Fasern stand hoch, was vermuten lässt, dass eine Nagelschere benutzt worden war.

Zustand des Leders
Untersuchungen haben ergeben, dass alle Teile aus oberflächlich eingefärbtem Glacéleder bestehen (Göpfrich Ledermuseum Offenbach). Da die Lederbekleidung von mehreren Designer*innen oder Hersteller*innen stammt, ist nachvollziehbar, dass die Materialqualität und damit auch der Erhaltungszustand unterschiedlich ausfielen. Hauptsächlich an den lila Stiefeln des Hutständers waren zahlreiche mechanische Beschädigungen zu verzeichnen. Vor allem auf der Innenseite der Oberschenkel befanden sich schlecht geklebte Risse und Winkelhaken. Auch sind diese Stiefel in unterschiedlichem Maße geschrumpft, weswegen sich die Kante im Oberschenkel bis heute deutlich abzeichnet und die vom Künstler intendierte durchgehende Silhouette unterbrochen ist. Das Leder des Sitzkissens und der Handschuhe war sehr degradiert und abgenutzt. Die Handschuhe, da aus besonders dünnem Leder, waren an den Fingerknöcheln und -spitzen durchgerieben, so dass stellenweise die Finger durchschienen und kleine Fetzen hochstanden. Diese Schäden sind darauf zurückzuführen, dass Betrachter*innen der Dame mutwillig auf die Finger getreten sind.

Kissen und Handschuhe waren sehr ausgeblichen und sahen daher nicht mehr schwarz, sondern grünlich aus. Der Ledertanga wies eine großflächige bräunlich-dunkle Verfärbung auf. Dort war das Leder hart und spröde – anscheinend eine Übermalung, die sich im Lauf der Zeit verfärbt hat.

Zustand der Textilien
Zu den Textilien gehören Bluse, Schnürsenkel und Hot Pants. Das ursprünglich helle, vielleicht sogar weiße Material der Organza-Bluse war im Lauf der Zeit grau und unansehnlich geworden. Da es sich um ein sehr dünnes, transparentes und locker gewebtes Textil handelt, war der Schmutz tief in die Gewebestruktur eingedrungen.
An zahlreichen Stellen kam es zu waagerechten Rissen. Besonders ausgeprägt traten diese an aufliegenden bzw. durch konvexe Formen gedehnten Stellen auf. Zusätzlich zu der mechanischen Belastung könnte dabei eine lichtbedingte Materialermüdung eine Rolle spielen. Alte, mit vergleichsweise grobem Faden ausgeführte Nähreparaturen hatten das Gewebe am unteren Saum und an den Brustabnähern verzogen. Bei den Schnürsenkeln gab es deutliche Schäden durch Ausbleichen. Vor allem die Schnürung der lila Stiefel war sehr verschossen.

Perücken
Hutständer und Tisch sind mit Kunsthaarperücken bestückt, der Stuhl trägt Echthaar. Die Perücken waren mit doppelseitigem Klebeband befestigt. Alle waren sehr verstaubt, und die Frisuren waren aus der Fasson geraten. Beim Hutständer wurde dieser Eindruck dadurch verstärkt, dass die Perücke in die Stirn gerutscht und am Hinterkopf stark ausgedünnt war.

Rettungsmaßnahmen

Leder
Das Leder der Handschuhe und des Sitzkissens war bereits stark degradiert, was die Verwendung wässriger Konsolidierungsmethoden ausschloss. In einer ausführlichen Testreihe spielte neben den guten Lederfestigungseigenschaften auch die Empfindlichkeit der Malschicht unter den Handschuhen beim Festigungsvorgang eine Rolle. Um die Farbe nicht anzulösen, wurde ein dickflüssiger Klebstoff mit ausreichender Eindringtiefe und zugleich schneller Verdunstung gesucht. Bei der Verwendung von Methylcellulose in Isopropanol konnten sehr gute Ergebnisse erzielt werden. Nach einem ersten Festigungsaufstrich war es günstig, das Gel mit Pigmenten zu versehen und damit die ausgeblichenen Partien direkt einzutönen. Mit weiteren Schichten konnte der notwendige Glanz erzielt werden.
Die Risse an den violetten Stiefeln wurden geglättet, mit Fasern aus einem alten Fensterleder in Methylcellulose aufgefüllt und retuschiert.

Textilien
Dass die Schnürsenkel der lila Stiefel ursprünglich passend zum Farbton des Leders eingetönt waren, ist noch an verdeckten Stellen, z.B. im Knoten der Schleife, nachzuvollziehen. Diese Färbung wurde mit Dupont-Seidenmalfarben rekonstruiert. Die Vergrauung der Bluse war weder durch Trocken- noch durch Nassreinigungsversuche entscheidend zu reduzieren. (Diese Ergebnisse und weitere durchgeführte Maßnahmen verdanken wir der Arbeit und Dokumentation der Textilrestauratorin Laurence Becker.) Doch die alten Nähreparaturen konnten rückgängig gemacht werden. Um die brüchige Seide zu stabilisieren, wurde eine nähtechnische Sicherung in Form einer zweiten inneren Bluse angebracht. Diese wurde Schnittteil für Schnittteil aus durchscheinender Crepeline (100 Prozent Seide) eingefügt. Dieses Material ist lockerer gewebt als das originale Organza, so dass die Transparenz kaum eingeschränkt ist. Es musste jedoch im 45 Grad-Winkel montiert werden, damit kein Moiré-Effekt entsteht. Mit Stützlinien und Spannstichen wurden die Risse und Fehlstellen auf dem Unterlegstoff zusätzlich gesichert. Die zwei größeren Fehlstellen auf den Schultern wurden mit farblich passend eingetönten Intarsien aus Organza geschlossen.

Perücken
Die Perücken konnten gut abgenommen werden, da der Klebstoff des doppelseitigen Klebebandes degradiert und in Auflösung begriffen war. Die Reinigung der Perücken erfolgte durch Friseurmeister Herbert Willekens vom Aachener Haarhaus W. Prömper, der sie zigfach in stehendem Wasser ausschwenkte, bis keine Verschmutzungsrückstände mehr sichtbar waren. Anschließend wurden sie in einem Bad mit Weichmacher gespült, damit man sie wieder frisieren konnte. Alle drei Perücken haben durch diese Behandlung sehr gewonnen. Montiert wurden sie mit einem speziellen Doppelklebeband, mit dem auch Perücken auf menschlichen Köpfen befestigt werden.

Farbschicht
Die Acrylfarbe erwies sich als sehr lösemittelempfindlich. Bei hartnäckigen Schmutzanhaftungen, besonders am Gesäß des Hutständers, konnte das Reinigungsergebnis durch die zusätzlich reibende Wirkung von Attapulgit verbessert werden. An den Rissen im Hüftbereich des Hutständers wurde geringfügig gekittet, ebenso wie die Fehlstelle am Kinn mit Kreidekitt auf Niveau gebracht wurde. Die Retusche erfolgte mit wasservermalbaren Wachskreiden (Caran d’Ache), die mit Wasser oder Testbenzin wieder entfernbar sind. Eine leichte Politur ergab dabei den nötigen Glanz.

 

 

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