Anlässlich der Ausstellung „Tim Berresheim. 2003-2015“ wird das Institut für Betrachtung (IFB) einige Vorträge im Ludwig Forum veranstalten.
Das IFB wurde im September 2014 von Wolfgang Brauneis und Tim Berresheim, mit Unterstützung von Jochen Lauscher (C/O), gegründet und soll als Ort für die Beschäftigung mit jenen drängenden Fragen zur zeitgenössischen Kunst dienen, die sich angesichts der momentanen Umbruchsphase stellen: Wie viel Zeitgenossenschaft steckt in zeitgenössischer Kunst? Wie wird über zeitgenössische Kunst gesprochen? Welche Auswirkungen haben die einschneidenden technologischen und ökonomischen Entwicklungen auf sämtliche Bereiche des Kunstbetriebes?
Do, 29.10.15, 18.30 Uhr
BRD, Oktober 1974. Die Rodung, das Polenmädchen und der Kojote
Vortrag von Wolfgang Brauneis
Im Oktober 1974 setzt der jüdische Historiker Joseph Wulf, der in den 1950er und 60er Jahren zahlreiche Bücher zur (Kultur-)Geschichte des „Dritten Reichs“ publiziert hat, seinem Leben ein Ende. Dass in seinen letzten Lebensjahren das Gefühl der Wirkungslosigkeit seiner Forschungen überwog, lag auch an dem etwa 1968 beginnenden Verebben der bundesrepublikanischen Nachkriegs-Demut. Inwieweit hat sich diese Veränderung der allgemeinen Stimmungslage in den diversen kulturellen Sphären bemerkbar gemacht? Wolfgang Brauneis untersucht diese Frage, indem er – vor dem Hintergrund von Wulfs Wirken – die Produktionen von Joseph Beuys, Heino und dem Eichhorst-Schüler Lothar Sperl aus der Ära Brandt (1969-74) miteinander verknüpft, und plädiert damit für eine stärker kultur- und sozialgeschichtlich ausgelegte Revision etablierter kunsthistorischer Erzählungen.
Wolfgang Brauneis ist freier Kunsthistoriker und Kunstkritiker in Köln.
Do, 19.11.15, 18.30 Uhr
Erwartungstreue als Modus Operandi
Vortrag von Tim Berresheim
In seinem Multimediavortrag mit anschließendem Ausstellungsrundgang beschäftigt sich der Künstler Tim Berresheim anhand ausgewählter Arbeiten mit einigen Fragen, die sich angesichts der Möglichkeiten zeitgenössischer Bildproduktion stellen. Muss die Bildende Kunst vor dem Hintergrund der rasanten Entwicklung in anderen Bereichen wie Film, Fernsehen, Games oder Werbung und den damit verbundenen neuen Arbeitsprozessen eventuell kapitulieren? Hat sie – wenn selbst die allgegenwärtige Postinternet-Art, die sich explizit der digitalisierten Zeitgenossenschaft verschrieben hat, mit primär konzeptuellen statt visuellen Angebote aufwartet – womöglich bereits kapituliert? Wie könnte das Terrain aussehen, das in der aktuellen Umbruchphase auf bildkünstlerische Weise beackert werden und von wo aus in puncto zeitgemäße Bildproduktion weitergearbeitet werden könnte?
Do, 10.12.15, 18.30 Uhr
Vom Nichtberlinern. Über die Chancen der Provinz
Vortrag von Christian Janecke
Kaum ein vielversprechender Künstler, kaum eine Akademieabsolventin, die sich dem neuerlichen Zug der Lemminge in die Hauptstadt verweigern würde, um lieber ein Leben als Landei oder in Städten wie Nürnberg, Kiel oder Aachen zu führen. Die Anzahl ernstzunehmender Galerien ist dort ja eher überschaubar; die Museen beflügeln die ortsansässige Künstlerschaft meist nur mäßig. Was also spricht, abgesehen von Lokalmatadorentum, fürs ‘Nichtberlinern’ (= Kunst studiert haben und nicht nach Berlin ziehen)? Und gegengefragt, was lehrt uns das freilich dennoch ungerührt weiter um sich greifende Berliner Massenkünstlertum eigentlich über Kunst?
Christian Janecke ist Professor für Kunstgeschichte an der Hochschule für Gestaltung Offenbach.