Oh, Clock!, die erste große Einzelausstellung der New Yorker Malerin Amy Sillman (*1955 in Detroit) im deutschsprachigen Raum, besteht aus zwei Teilen: Der erste Teil der Ausstellung, der bis zum 31. August 2025 im Ludwig Forum zu sehen war, zeigte eine konzentrierte Auswahl von Sillmans Arbeiten der letzten zehn Jahre, darunter 24 Malereien, über 300 Zeichnungen, Grafiken und Collagen, mehrere große Installationen und digitale Animationen. Er beleuchtete die langjährige kritische Auseinandersetzung der Künstlerin mit der Geschichte der Malerei auf und jenseits der Leinwand und eröffnete umfassende Einblicke in ihre vielseitigen und hybriden Systeme. Beim zweiten Teil, der bis zum 31. Dezember 2025 zu sehen sein wird, handelt es sich um eine kuratorische Sammlungsintervention der Künstlerin: An diagonal verlaufenden, von ihr bemalten Wänden präsentiert sie mehrere Dutzend, von ihr ausgewählte Werke aus der Sammlung Peter und Irene Ludwig in Aachen.
Die künstlerische Praxis von Amy Sillman reicht weit über Malerei hinaus und beinhaltet seit Jahren Schreiben, Animationsfilme und neuerdings auch verschiedene kuratorische Projekte mit Museumssammlungen. So wählte sie beispielsweise 2019 für The Shape of Shape (Die Form der Form) im MoMA New York 80 Arbeiten aus der Museumssammlung aus, in denen Überlegungen zu Formen dominieren. Damals erklärte sie: „Obwohl Formen überall zu finden sind, reden wir nicht viel über sie. Sie sind kein heiß diskutiertes Thema in der Kunst, wie etwa Farbe oder Systeme“. Aus Anlass der Ausstellungskooperation zwischen dem Kunstmuseum Bern und dem Ludwig Forum Aachen, widmet sich Amy Sillman als Teil von Oh, Clock! nun abermals den Sammlungen beider Institutionen. Nach ihrer Sammlungspräsentation im Kunstmuseum Bern (bis 2. November 2025), die vor dem aktiven Hintergrund ihrer Wandmalereien installiert wurde, setzte sich Sillman in Aachen intensiv mit Werken aus der Sammlung Ludwig auseinander. Dabei benutzt sie Begriffe wie Figur, Farbe, Muster und Leere – Begriffe, die für ihre eigene Malpraxis von entscheidender Bedeutung sind – als Filter für ihre Auswahl. Etwa 80 Gemälde, Zeichnungen, Drucke, und Skulpturen werden an den Wänden von drei Ausstellungräumen sowie auf fünf neu produzierten, doppelseitigen Stellwänden auf Rollen präsentiert. Auf letzteren schuf Sillman improvisierte Wandmalereien, die vor Ort entstanden sind. Die Künstlerin verwebt so verschiedene Schulen, Kontinente, Medien und Kunststile und schafft eine umfassende Sprache aus Form, Farbe, Zeit und Bedeutung, indem sie eine neue Verflechtung von Vordergrund und Hintergrund, Harmonien und Spannungen herstellt. Dabei sind die Werke nicht chronologisch oder thematisch angeordnet, sondern von Fragen zu Form, Farbe, Größe und ortsspezifischen Beziehungen zwischen Kunstobjekten, Architektur und dem Museum selbst geleitet. Das Kunstmuseum Bern und das Ludwig Forum öffneten ihre jeweiligen Sammlungen für eine neue Sichtweise aus einer anderen Perspektive und nutzten auf diese Weise die der Künstlerin eigene Methodik, um formale und politische Verknüpfungen zu schaffen. Sillmans besonderes Interesse an Positionen außerhalb des Mainstreams und Künstler*innen mit weniger kommerziellen Karrieren wird durch die zusätzliche „Durchlöcherung“ der kanonischen Strukturen, die den Sammlungen innewohnen, ein neues Licht auf das werfen, was bisher übersehen wurde.
Mit Arbeiten von Carla Accardi, John Ahearn, Laurie Anderson, Belkis Ayón, Donald Baechler, Nairy Baghramian, Georg Baselitz, Tim Berresheim, Bernhard Johannes Blume, Mel Bochner, Peter Brüning, Lygia Clark, Alan Cote, Ivan Čujkov, Rolf-Gunter Dienst, Felix Droese, Marianne Eigenheer, Siron Franco, Gotthard Graubner, Ellen Gronemeyer, Richard Hamilton, Jann Haworth, Alex Hay, Gottfried Helnwein, Peter Herrmann, Jörg Immendorff, Bertram Jesdinsky, Jasper Johns, Maksim Kantor, Konrad Klapheck, Oleg Kudrjaschov, Gabriel Kuri, Fehér László, Roy Lichtenstein, Ivan Lubennikov, Brigitta Malche, Anatolij Mašarov, Wolfgang Mattheuer, Lázaro García Medina, István Nádler, Galina Neledva, Kenneth Noland, Igor Obrosov, Albert Oehlen, Nikola Ovčinnikov, A.R. Penck, Raymond Pettibon, Uwe Pfeifer, Peter Piller, Viktor Pivovarov, Adelaida Pologova, Robert Rauschenberg, Gerhard Richter, Rissa, Otto Sander-Tischbein, Augustinas Savickas, Inga Savranskaja, Hans Scheib, Aleksandr Sitnikov, Emil Sorge, Eduard Steinberg, Radiš Tordija, Don Van Vliet, Sergej Volkov, Andy Warhol, Walerian Wassiljev, William Wegman, Hermann Weisweiler und Dmitrij Žilinskij.
Amy Sillman. Oh, Clock! wurde kuratiert von Eva Birkenstock mit der kuratorischen Assistenz von Mailin Haberland und Anna Marckwald und ist eine Kooperation mit dem Kunstmuseum Bern.
Gefördert durch die Peter und Irene Ludwig Stiftung, Victor Rolff Stiftung, Sparkassen-Kulturstiftung Rheinland und die Jugend- und Kulturstiftung der Sparkasse Aachen.
Abbildung: Amy Sillman, Oh, Clock!, Ausstellungsansicht Ludwig Forum Aachen, 2025, Foto: Mareike Tocha.